Heute war die Nacht für mich um drei Uhr zu Ende. Aber irgendwann werde ich die Zeitumstellung hinter mir lassen. Hätte joggen gehen können. Oder Radfahren. Aber halt, ich habe ja kein entsprechendes Sportzeug dabei…
Für den heutigen Tag haben wir uns vorgenommen, auf die Olympic Halbinsel nach Sequim zu fahren. Ausgesprochen wird das bei bei Harry Potter die Squibs, das „e“ bleibt stumm.
Man kann diesen Ort auf die umständliche Tour erreichen: Nach Süden an Seattle und Tacoma vorbei, um dann bei Olympia wieder nach Norden abzudrehen und die Küstenlinie immer rechts neben uns zu lassen. Dagegen sprachen mehrere gewichtige Gründe. Die Strecke ist um einiges länger als das, was die beste Reiseplanerin von allen vorgesehen hatte, stauträchtig und nicht so schön. Außerdem waren in der Nähe der 101 Feuer gemeldet worden, die eventuell ein Durchkommen unmöglich gemacht hätten. Und der gewichtigste Grund: Karin kann auf der von uns gewählten Route Fähre fahren.
Da nicht auszuschließen ist, dass auch andere Bewohner Seattles und der umliegende Städte ihr Wochenende auf der Halbinsel verbringen wollen, waren wir zeitig auf den Beinen, um die Fähre von Edmonds nach Kingston zu nehmen. Der Andrang war nicht so riesig groß und wir waren mit die ersten, die auf das Schiff kamen.
Die Fähre ist riesig und auf mehreren Etagen stapeln sich die Autos.
Als wir auf dem Wasser waren, zückte ich meine Kreditkarte, um die Passage zu bezahlen. Aber es kam niemand. Wir kamen ins Gespräch mit einem anderen Mitreisenden und fragten, wie das mit der Bezahlung liefe. Er meinte, entweder man hat eine Art Monatsticket oder man kann vor der Auffahrt auf das Schiff eine Fahrkarte lösen. Sonst kämen wir gar nicht an Bord. Ups, da haben wir die Ticketstelle und man unseren zierlichen kleinen Wagen übersehen. Was tun, war unsere Frage. Die Antwort war: Gar nichts. Auf dem Schiff gibt es keine Möglichkeit, nachzulösen. So soll es denn sein.
Nach einer halben Stunde Überfahrt verließen wir unbehelligt den Kahn und wandten uns dem nächsten Etappenziel zu. Nur ein paar Meilen vom Terminal entfernt liegt die kleine Stadt Poulsbo.
Poulsbo wurde in den 1880er Jahren von norwegischen Einwanderern gegründet, insbesondere von Jørgen Eliason.
Seine Landsleute empfanden die Landschaft – Fjorde, Seeufer, Berge – als ähnlich wie in Norwegen, weswegen sich viele dort niederließen.
Ursprünglich sollte der Ort „Paulsbo“ heißen, benannt nach einem Ort in Norwegen („Paul’s Place“). Weil jemand seine Handschrift falsch las, wandelte sich das „au“ zu „ou“ – so wurde aus Paulsbo Poulsbo.
Bis zum Zweiten Weltkrieg war Norwegisch eine verbreitete Sprache in Poulsbo. Erst mit größerer Zuwanderung – z. B. Arbeitskräfte, die im Zusammenhang mit dem Puget Sound Naval Shipyard kamen – wurde Englisch dominanter.
In der Innenstadt (z. B. Front Street) sieht man Gebäude mit norwegischem Stil, Kunst & Wandmalereien mit Wikinger-Motiven, Dekoration mit norwegischen Flaggen etc. Es wird bewusst daran gearbeitet, dass der Ort seine „Little Norway“-Atmosphäre behält.
Anscheinend ist das norwegische Brot bekannt und berühmt, weswegen sich vor der Bäckerei ein lange Schlange gebildet hat.
Wir verzichteten auf eine Probe, schließlich sind wir von deutschem Brot verwöhnt und fuhren auf Bainbridge Island ein Stückchen nach Süden. Dort befindet sich in der Nähe des State Highway 305 ein weiterer Troll mit Namen „Pia the peacekeeper“.
Dann ging es die gleiche Strecke wieder nach Norden zurück. In Port Gamble wollten wir nach Westen abbiegen, waren aber aber von der Schönheit des Ortes und der Notwendigkeit gewisser Örtlichkeiten so angetan, dass wir hier ein kleines Päuschen für einen Rundgang einlegten.
Die Dahlien standen in voller Blüte und harmonierten hervorragend mit den langsam ins Herbstlaub fallenden Bäumen.
Der „General Store“ beherbergt in der 2. Etage ein Mini-Museum, wo man alle Muscheln, die seit Anbeginn der Zeit hier gesammelt wurden, bewundern kann.
Auch Gebisse von divesen Haien sind dort ausgestellt (aber kein großer weißer dabei).
Weiter geht es nach Westen. Eine „Besonderheit“ ist die Floating Bridge, die Pontonbrücke, die Bainbridge Island mit dem Festland, der Olympic Halbinsel, verbindet. Gut, darüber zu fahren, war nicht anders als auf jeder anderen Brücke, aber hinterher der Anblick war schon besonders.
Wir drehten dann ab nach Süden auf die 101, um entlang des Hood Canal die „Fjordlandschaft“ zu bewundern. Hier muss ich sagen, hätte ich von Fjord etwas anderes erwartet. Steile Abhänge wären das wenigste gewesen. Aber als wir so an der Küste entlang fuhren, kam ich mir vor wie am Starnberger See: Wenig Zugang zum Wasser, und wenn das mal möglich war, dann standen dort Privathäuser. An wenigen Stateparks konnte man dann wirklich an die Küste kommen.
Also drehten wir mehr oder weniger unverrichteter Dinge um und gönnten uns nur noch einen Abstecher zum Mt. Walker Viewpoint. Ca. 4 Meilen Dirtroad steil nach oben und dann bekamen wir einen weiten Blick in die Landschaft geboten. Ob das mit Fjord gemeint war? Einen spannenden Blick nach Westen gab es allerdings noch: Das Tunnel Creek Feuer warf ordentlich Rauch in die Luft. Zum Glück bekamen wir davon weiter nichts mit.
Dann schnell die 4 Meilen wieder runter und unser Hotel in Sequim ins Navi eingegeben. Eine Stunde später waren wir da, ziemlich erschöpft, aber glücklich ob des schönen Tages. Zum Abendessen gab es noch einmal Nudeln mit Chicken Tikki Masala und anschließend eine frühe Portion Bett.