Endlich haben wir mal das Wetter, für das der Staat Washington so bekannt ist. Endlich kann ich das Rostschutzmittel, welches ich vorsorglich neben dem Sonnenschutz eingepackt hatte, herauskramen. Endlich verstehen wir, warum dieser Staat den Nicknamen „The Evergreen State“ hat.
Auf gut deutsch: Es regnet in Strömen. Zeit, sich auf die Erholung zu konzentrieren.
Das Frühstück hier im Ocean Star Inn (einmalig in diesem Urlaub kein Best Western Hotel) ist erstaunlich gut, wurde doch „nur“ continental breakfast beworben. Man merkt die Nähe zum Großmarkt Costco. Auf vielen Behältnissen prankt das Kirkland-Logo, der Hausmarke der Metro der USA. Am schönsten ist allerdings, dass sie auch unser geliebtes Cranberry Walnut Brot anbieten. Da schlagen wir doch gerne zu.
Nach der ersten Malzeit des Tages legen wir uns noch ein wenig aufs Ohr, denn die Wetter-App verheißt ein Nachlassen der undichten Wolken.
Als es schließlich nur noch graut und im fernen Westen die ersten blauen Flecken am Himmel auftauchen, gibt es bei uns kein Halten und wir machen uns zügig auf die Straße. Schnell nochmal bei Costco vollgetankt und ein paar andere Sachen mitgebracht und dann – während der Fahrt – überlegen wir, was wir heute am besten machen können. Da stehen zum einen die drei Wasserfälle: Sol Duc, Marymere und Madison im Angebot. Die Hurricane Ridge könnte auch interessant sein. Und auch die Neah Bay ganz im Westen der Halbinsel.
Doch erstmal ein paar Fakten zum Olympic National Park. Er ist quasi eine „Mini-Welt“ für sich, denn er vereint drei komplett unterschiedliche Landschaftstypen:
- Schroffe Pazifikküste mit wilden Stränden und Treibholz, das aussieht wie von Riesenhand hingeworfen.
- Gemäßigte Regenwälder wie der berühmte Hoh Rain Forest, einer der größten seiner Art in den USA.
- Alpine Hochgebirge mit Gletschern, schroffen Gipfeln (z. B. Mount Olympus, 2.428 m) und sauberen Bergseen.
Der Park ist fast so groß wie das Saarland – aber mit viel mehr Bären und viel weniger Autobahnen.
Ganz in der Nähe, in der Kleinstadt Forks, spielt die Twilight-Saga. Deshalb pilgern immer noch Fans in den Park und hoffen, glitzernde Vampire im Regenwald zu sehen. Stattdessen treffen sie meistens auf… nasse Hirsche.
So, wie gerade im Augenblick der Himmel aufreißt, erscheint uns die Hurricane Ridge im Olympic National Park am geeignetsten. Wir biegen also von Port Angeles ab nach Norden, um über eine 17 Meilen lange, gut befahrbare Straße auf die Höhe zu kommen. Der Weg führt durch mehr oder weniger dichten Wald, von der Schönheit der Berge ist wegen der Wolken so gut wie nichts zu sehen.
Dann endlich reißt die Wolkendecke auf und die Sonne scheint durch.
Kurze Zeit später stehen wir auf dem Parkplatz (welcher trotz Sonntag nicht einmal halb gefüllt ist) und packen uns wetterfest ein. Ausnahmsweise bei mir eine lange Hose und eine von meinen neuen Jacken.
Wir machen uns auf den Weg zu einer kurzen Wanderung, denn die Wolken lassen nur erahnen, welche Schönheit sich hinter ihnen verbirgt.
Noch einmal kurz die Fliesenabteilung aufsuchen und es geht wieder nach unten. Denn wir haben ja noch reichlich Ziele auf der Tagesordnung.
Auf der Straße hat sich stellenweise so dichter Nebel gebildet, dass man nicht die Hand vor Augen sieht. Hatte ich auch nicht, sie waren am unteren Teil des Lenkrades. Logisch, dass es nicht allzuschnell den Berg runter geht. Auf dem Foto war die Sicht schon wieder richtig gut.
Dann biegen wir nach Westen auf den 101 ab, um zu den Sol Duc Wasserfällen zu fahren.
„Sol Duc“ ist ein Name, der aus der Sprache der Quileute (einem indigenen Volk der Olympic-Halbinsel) stammt.
Ursprünglich hieß es dort “Soleduck” (ältere Schreibweise) und bedeutet ungefähr „glänzendes Wasser“ oder „funken-sprühendes Wasser“ – eine Anspielung auf die heißen Quellen und den Sol Duc River, der durch den Park rauscht.
Auch hier müssen wir 14 Meilen in die Berge hinauf fahren. Am Parkplatz angekommen, sind es jetzt noch 0.8 Meilen zu laufen. Das schaffen wir (so gerade eben noch).
Es geht durch dichten Regenwald und uns kommen viele Wanderer:innen entgegen.
Dann hören wir es rauschen und stehen auf einer Brücke vor dem Wasserfall. Mein Stativ für eine Langzeitbelichtung habe ich nicht mitgenommen, warum auch. Schließlich bekomme ich mit aufgelegter Kamera 1/6 Sekunde auch ohne hin.
Und wie man sieht, klappt das ganz gut.
Auf dem Rückweg kommt ab und zu die Sonne raus und wirft ihre Stahlen durch die mit Flechten bewachsenen Bäume.
Nachdem wir zum Parkplatz zurückgekehrt sind, verleiben wir uns noch den bei Costco erstandenen Salat ein und machen uns auf den Rückweg.
Links am Wegesrand machen wir einen kleinen Stop. Dort hatten wir auf dem Hinweg die Salmon Cascade Falls rechts liegen gelassen. Das können wir noch nachholen, dazu reicht die Zeit.
Aber da ich zu faul bin, die Strecke zurückzulaufen, hole ich einfach die dicke Berta raus und gönne dem Fall eine Aufnahme. Sogar einen Lachs glaube ich springen zu sehen.
Schließlich sind wir zurück auf der Straße. Der Lake Crescent wird schön ins Sonnenlicht getaucht, das hätte man heute morgen doch auch schon haben können?
Aber mit dem Wettergott ist ja nicht verhandelbar.
Dass der Park nicht so überlaufen ist wie z.B. der Grand Canyon oder der Arches NP, sieht man daran, dass z.B. Rehe ganz ungeniert sowohl auf nahen Wiesen, bei Häusern und sogar in Vorgärten weiden.
Und sie lassen sich auch nicht durch Stalker wie mich stören.
Wir lassen den Park hinter uns und auch die Sonne, die tiefstehend in den Rückspiegel hineinleuchtet.
Eine kleine Runde drehen wir noch durch Sequim, um einen Sonnenuntergang á la Arizona mitzubekommen.
Endlich zuhause. Das Internet zickt mächtig rum und ich hoffe, diesen Bericht überhaupt hochgeladen zu bekommen.