Heute ist der große Tag. Wir gehen Wale schießen. Also mit der Kamera. Eine Harpune darf nicht mit auf das Boot. Und ob wir Moby Dick sehen, wage ich auch zu bezweifeln, Pottwale verirren sich eigentlich nicht in diese Gegend.
Zeitig stehen wir auf, frühstücken genüsslich und machen uns auf die Straße. Mittlerweile traut meine Göttergattin mir sogar zu, dass ich den Weg zum Hafen ohne Navi finde.
Wir buchen uns ein Tagesticket auf dem Parkplatz und spazieren zum Anlegeplatz der Firma Montery Bay Whale Watch. Gut, die heißen alle ähnlich, daher hier einmal die Webadresse der Firma:
Wir melden uns bei der Kasse mit Namen und bekommen zwei winzige Eintrittskärtchen.
Als sich die Schlangen bilden, gibt sofort eine Trennung: Die mit den gelben Armbändchen dürfen aufs Oberdeck, haben dafür aber auch 14 USD mehr bezahlt. Brauchen wir das? Für meinen Teil entscheide ich: Nein. Zu gemütlich erscheint mir die Bank direkt am Bug des Schiffes, den ich sowieso für die nächsten vier Stunden nicht verlassen sollte, da man durch Blick auf den Horizont die Seekrankheit besser übersteht. Aber vorsichthalber habe ich noch konzentrierte Ingwertabletten zu mir genommen. Sicher ist sicher.
Nach einer kurzen Einführung legt das Boot ab und steuert an der Mole vorbei auf die Bay. Linker Hand auf der Mole liegen hunderte Sea Lions und verbreiten Lärm und Gestank.
Aber es dauert nicht lange, bis wir in offeneres Wasser kommen. Die Monterey Bay hat als Besonderheit einen Unterwassercanyon, der bis zu 12.000 Fuß tief ist. Also mehr als der Grand Canyon. Diese geologische Besonderheit ist dafür verantworlich, dass es hier ein extrem reichhaltiges Nahrungsangebot gibt.
Und das wird von allen Meeresbewohnern ausgenutzt. Schon nach kurzer Zeit tauchen die ersten Humpback-Wale (zu deutsch Buckelwale) auf. Und das ist wörtlich zu nehmen. Neugierig strecken sie ihre massigen Köpfe aus dem Wasser, um zu sehen, wer sie da schon wieder stalkt.
Die Kameraverschlüsse klicken wie wild. Um uns herum tobt das Wasser und es ist schwierig, immer mit der Linse am richtigen Ort zu sein. Eine Schwanzflosse, die ins Wasser abtaucht, abzulichten, geht noch einigermaßen leicht, weil man den Körper des Wals langsam verschwinden sieht.
Aber die Köpfe tauchen ohne Vorwarnung an allen möglichen Stellen auf, wo man sie nicht erwartet.
Dann heißt es nur noch: Kamera rumreißen und hoffen, dass der Fokus schnell genug packt. Ich schieße immer circa 3 Fotos im Serienbildmodus und stelle im Nachgang fest, dass ab dem zweiten Fotos der Fokus meisten gepackt hat.
Logischerweise kommen da so einige Aufnahmen zusammen. Am Ende des Ausfluges sind es ca. 700, die ich sichten und anschließend eindampfen muss.
Während die Wale sich genüßlich die Bäuche füllen, sehen wir hunderte von Seelöwen, die fast übereinander gestapelt auf dem Wasser treiben. Aus dem Off ertönt die Stimme unseres Guides, dass hier eine Zusammenarbeit zwischen beiden Säugetiergattungen stattfindet, eine sehr seltene Symbiose auf der ganzen Welt.
Wir sind regelrecht gestresst, aber auch begeistert vom Treiben rund um uns herum.
Man erzählt, dass die Wale den Menschen hier schon bekannt sind. Auseinandergehalten werden sie durch das Aussehen der Schwanzflossen. Manche kommen immer wieder hierhin und haben auch schon Namen bekommen (auf die sie aber nicht hören, wenn man sie ruft).
Unser Guide meint auch, wir bräuchten keine Angst zu haben, von einem Wal verschluckt zu werden. Auch wenn ein Mundvoll ca. 5.000 Gallonen Wasser fasst, so ist der Schlund doch nicht viel größer als eine Honigmelone.
Und damit wäre die Story von Jonas und dem Wal“fisch“ wiederlegt. Zu mindest, was die Buckelwale betrifft.
Irgendwann wird es dann doch ruhiger um uns herum und wir fahren noch weiter raus in die Bay, um noch andere Vertreter zu Gesicht zu bekommen.
Aber wir sehen nur noch einen weiteren Wal. Und auch den nur mit Glück, da wir in die übliche Nebelbank gefahren sind und das Nebelhorn häufig tutet.
Dann ist unsere Zeit um und wir sehen zu, dass wir innerhalb der gebuchten vier Stunden wieder im Hafen landen. Vor uns liegt die Cannery Row. So sieht sie von Seeseite aus.
Beim Verlassen des Schiffes frage ich unsere Führerin, ob sie die Seelöwen auch alle per Namen kennt. Und bin ein wenig enttäuscht, als das nicht so ist.
Wieder an Land suchen wir erstmal die Waschräume auf, um uns das Salzwasser von den Händen zu waschen, mit dem wir partiell geduscht wurden.
Da unser Parkticket noch länger gültig ist, beschließen wir, auf dem Montery Bay Coastal Trail noch ein wenig dem Gebrüll der Seelöwen zu lauschen, die es sich im Hafenbecken gemütlich gemacht haben.
Ob die Pelikane davon etwas genervt sind? Sie lassen sich nichts anmerken.
Wenn man dem Weg weiter entlang der Küste folgt, landet man am San Carlos Beach. Dort liegen leider vier tote Tiere auf dem Strand, eines davon ein Jungtier. Wir haben keine Ahnung, was die Ursache ist.
Noch weiter am Trail liegt dann die Cannery Row mit ihren typischen Übergängen der alten Konservenfabriken.
Hier werden diese architektonschen Merkmale von den inzwischen eingezogenen Hotels genutzt (z.B. um die Parkgaragen zu erreichen).
Es geht wieder zurück und wir fahren noch ein Stückchen an der Küste entlang, um den Abend am Lovers Point ausklingen zu lassen.
Leider kommt uns der Nebel zuvor, der es ungemütlich macht. Also drehen wir um und erledigen noch ein paar Einkäufe, bevor es dann an die eigentliche Arbeit geht.
Schon in der Kamera hatte ich die Fotos auf ungefähr die Hälfte reduziert, aber 318 warteten immer noch am Rechner auf mich. Durch hartnäckiges und konsequentes Aussieben konnte ich diese auf 144 reduzieren.
Ein abenteuerlicher Tag geht zu Ende.