18.09.2025 – Von Aberdeen nach Long Beach

Ade Aberdeen. Unser Hotel hat uns gut gefallen und Aberdeen hat auch sympathische Ecken, wie ich gleich zeigen werde. Für die nächsten Tage werden wir uns im absoluten Süden Washingtons und ein wenig im Norden Oregons aufhalten. Dafür wäre eigentlich ein Hotel in Astoria gut oder besser geeignet, aber da dort fast der doppelte Preis wie in Long Beach aufgerufen wird, halten wir es für besser, ein wenig Fahrerei durch schöne Landschaft auf uns zu nehmen.

Vorher springen wir noch beim gegenüberliegenden Walmart rein, um uns mit Nahrungsmitteln für den heutigen Tag einzudecken. Auf dem Weg zur Tankstelle hatte ich bei Google Maps etwas von „Kurt Cobain childhood house“ gesehen. Dieser Rocksänger, der zum Klub der 27 gehört, hat hier wohl seine nicht gerade glückliche Kindheit und Jugend verbracht.

Das Häuschen ist ein ganz normales, wie man es zu hunderten in den Straßen sehen kann.

Wir nutzen die Gelegenheit, um durch diesen Vorort zu kurven und ein paar von diesen Häuschen abzulichten.

Auch sonst macht dieser Teil der Stadt einen gutbürgerlichen Eindruck.

Etwas weiter im Stadtzentrum sieht man auf einer der Hauptstraßen verlassene alte Steingebäude, wie sie zu Hochzeiten der Stadt in Benutzung waren und bestimmt besser ausgesehen haben.

Manche sind gut renoviert wie im folgenden Bild die St. Mary School. Aber das ist eher die Ausnahme.

Und Brücken hat es zu Hauf in dieser Stadt. Eine hatte ich ja gestern Abend schon vorgestellt, heute ging es über eine weitere zu unserem nächsten Tagesziel.

Das ist West Harbour, quasi die südliche Eingangspforte zum Grays Harbour, der großen Bucht, an deren Ende Aberdeen liegt.

Ca. eine Stunde ist man dahin unterwegs, durch Holzplantagen, an Dörfern vorbei, bis man vor einem recht großen Fischereihafen steht. Dort hat man rücksichtsvollerweise einen Aussichtsturm aufgebaut, damit die Touristen schnell und unkompliziert einen Überblick bekommen.

Wir blicken in die Runde, zum einen auf den Hafen.

In der anderen Richtung geht es ins offene Meer, die Wellen brechen mit brachialer Gewalt an die Buhnen.

Etwas weiter in Richtung Hafen stellen wir direkt an den Kais den Wagen ab und spazieren gemütlich über die Stege. Alles ist offen, keiner fragt irgendwas, man wird freundlich gegrüßt. Offensichtlich hat der Tourismus hier noch keine Schäden hinterlassen.

Gegenüber auf einem der Anlegestege räkeln sich diverse Sea Lions, ihr Gebrüll klingt deutlich zu uns herüber.

Beim Blick zurück Hafenromantik pur, ob die Fischer, die das hier berufsmäßig betreiben, auch so sehen, lasse ich mal dahingestellt.

Jedenfalls können wir auf diesen Stegen fast einen halben Kilometer bis zur Hafeneinfahrt laufen und begegnen immer wieder Krabbenfischern, die mit gekonntem Schwung eine Angel auswerfen. Am Ende der Schnur ist aber nicht einfach nur ein Angelhaken befestigt, sondern ein Metallkorb, in dem sich Hühnergebein mit Fleisch dran befindet. Wir beobachten einen der Fischer, der gerade einen solchen Köder aus dem Wasser zieht. Drei Krebse haben sich festgebissen. Sie werden mittels einer Schablone nachgemessen und wenn sie zu klein sind, landen sie wieder im Wasser.

Wir sprechen mit einem der Angler, der in seinem Eimer schon ganz gute Beute angesammelt hat. Bis zu sechs Stück darf er pro Tag rausholen und pro Tier gibt es dann ein halbes Pfund „Fleisch“. Anscheinend immer noch billiger, als es im Laden zu kaufen.

Wir schlendern gemütlich in der Sonne zurück, es ist leicht windig, aber nicht unangenehm. In der Nähe des Autos setzen wir uns auf eine Aussichtsplattform und genießen von dem Essen, das wir bei Walmart gekauft haben.

Ich nutze die Gelegenheit, auf die vorbeifliegenden Pelikane zu halten.

Dann geht es wieder auf die Piste. Zuerst am Marine Museum vorbei, ein schönes altes Gebäude, welches in krassem Kontrast zu den benachbarten Industriegebäuden steht.

Eine halbe Meile weiter wartet ein Leuchtturm auf uns, aber wir halten nur für ein Foto an. Und werden dabei von einem älteren Ehepaar angesprochen: Wir hätten ja eine lange Fahrt hinter uns, von Florida. Aber wir konnten aufklären, dass es ein Rental car mit einem Kennzeichen aus dem Sunshine State ist. Als die Lady erfuhr, dass wir aus Deutschland kommen, entfuhr ihr ein „ich bin aus der Schweiz“, was ich dann mit einem Gruezi kontern konnte. Ja, ich bin sehr sprachbegabt.

Jetzt aber los nach Long Beach. Die Landschaft ist mehr oder weniger eintönig, aber schön, wir überqueren mehrere Flüsse und zockeln immer hinter einer Motorrad Gang her, wahrscheinlich Wild Hogs. Wir durchqueren Dörfer (oder Städte) mit Namen Raymond und South Bend, von denen ich noch nie gehört habe.

Am Hotel angekommen steigen die Biker gerade von ihren Drahteseln. Wir beeilen uns, vor ihnen an der Rezeption zu sein, denn das könnte dauern.

Eine kleine Pause gönnen wir uns, dann geht es noch einmal los zum Cape Disappointment.

Dies liegt an der Mündung des Columbia River (Grenze zwischen Washington & Oregon). Es bekam seinen Namen schon 1788, als der britische Kapitän John Meares (nach dem das gleichnamige Kap in Oregon benamst ist) dort vergeblich nach der Flussmündung suchte. Er fuhr enttäuscht wieder weg – und taufte den Ort gleich passend.

Die Mündung des Columbia River gilt als eine der gefährlichsten der Welt, weil sich vor dem Ausgang Sandbänke (Bars) befinden, die sich durch Strömungen verlagern und Schiffe dadurch stranden können.

Auf der Spitze des Capes liegt das Fort Canby. Es wurde ab 1863 während des Amerikanischen Bürgerkriegs errichet und ist Teil eines Systems mit Fort Stevens (Oregon) und Fort Columbia (Washington). Diese drei Festungen zusammen bildeten die „Triangle of Fire“.

Sie waren mit schweren Küstenkanonen ausgestattet, die jedes Schiff, das unerlaubt in die Flussmündung wollte, unter Kreuzfeuer nehmen konnten.

Ironischer Fun Fact: Kein einziger Schuss wurde jemals im Kampf abgefeuert. Die Wehranlagen waren also eher Abschreckung als tatsächliche „Action-Bühne“.

Uns interessierte der Leuchtturm (das Cape Disappointment Lighthouse) und die untergehende Sonne.

Der Leuchtturm steht wunderbar auf einem Felsen und schaut nach Astoria in Oregon.

Kurz nach diesem Foto ging die Sonne bei klarem Himmel unter, ein Schauspiel, welches wir komplett alleine genießen konnten.

Als die Sonne dann hinter dem Horizont verschwunden war, setzten wir uns ins Auto und fuhren vorsichtig zum North Head Lighthouse. Dort gibt es die North Head Lighthouse Keeper’s Residence, schön restaurierte Gebäude, in denen man anscheinend sogar übernachten kann. Rehe kreuzen unseren Weg, es wird immer dunkler. Dann taucht vor uns der Leuchtturm auf, er ist sogar in Aktion.

Ein letztes Foto im schwindenden Tageslicht und wir rollen vorsichtig den Berg runter und zum Hotel.

 

16.09.2025 – Von Sequim nach Aberdeen

Nun müssen wir das gastliche Ocean Star Inn verlassen. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Es war gemütlich, sauber, klein und das Frühstück war deutlich über dem gepriesenen Standard „continental breakfast“.

Allerdings gestehe ich, dass ich die Eier und Würstchen in der hier dargebotenen Form lieber mal etwas anders gehabt hätte.

Das gibt es vielleicht ja morgen früh in Aberdeen, da sind wir wieder bei Best Western.

Der kürzeste Weg von Sequim nach Aberdeen hätte uns weniger als drei Stunden östlich des Olympic National Parks gekostet. Aber wir wollen ja noch was erleben. Deshalb nehmen wir die westliche Route auf der 101 über Forks. Vampire suchen (und ihnen dann möglichst aus dem Weg gehen).

Wir wählen die einzig mögliche Route über Port Angeles, tanken noch einmal für 4,399 USD/Ga voll und düsen Richtung Westen.

Am Lake Crescent kommen wir an einer heftigen Unfallstelle vorbei. Wir vermuten, dass einer der vielen Log-Trucks seine Ladung verloren und auf ein entgegenkommendes Fahrzeug entladen hat.

Das schadet der Schönheit des Sees – vor allem jetzt bei Morgenlicht – keineswegs und wir machen auf der Picknick Area La Poel eine kurze Pause.

Auch hier merken wir, dass wir uns im pazifischen Nordwesten befinden. Regenwald ist allgegenwärtig. Bäume wachsen riesig in den Himmel.

Und trotzdem sieht unser gewaltiger Truck daneben noch winzig aus. Zum Größenvergleich mal meine Göttergattin auf dem Trittbrett.

Die Natur holt sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit zurück, was ihr gehört.

Der See bietet je nach Standpunkt kristallklares Wasser, bei dem man tief auf den Grund schauen kann.

Die Straße ist uns noch immer wohlbekannt und führt am Rande des Nationalparks vorbei. Wenn das Land nicht dazu gehört, ist es im Privatbesitz und wird für die Forstwirtschaft genutzt. Dies hat mich in meinem ersten Urlaub fast in den Wahnsinn getrieben, war ich es doch gewohnt, dass man in den Wäldern, speziell National Forest, frei und ungehindert zelten konnte. Aber hier gibt es halt keinen National Forest. Und im National Park ist wildes Zelten verboten.

Schließlich erreichen wir das Städchen Forks. Stefanie Meyer hatte im Internet nach einer Stadt mit einem der höchsten Regenaufkommen gesucht und war hier fündig geworden. Vampire scheuen – wie allgemein bekannt ist – das Sonnenlicht und haben sich deshalb hier angesiedelt.

Als wir ankamen, brauchten wir diesbezüglich absolut nichts zu fürchten. Ich schätze, wir haben einen der 5-6 Sonnentage im Jahr erwischt.

Logisch, dass wir die Stätten des Wirkens aufsuchen mussten. Das Chamber of Commerce, welches gleichzeitig auch als Visitor Center dient, liegt direkt neben dem Timber Forks Museum und ist mit allem ausgestattet, was ein Twilight-Fan benötigt.

Vor der Türe stehen die zwei Trucks von Bella Swan (einer aus der Buch- und einer aus der Film-Version, habe ich mir sagen lassen).

Und es gibt auch eine ziemlich hoch gelegte Messlatte. Hier werden die Regenmengen der vergangenen Jahrzehnte angezeigt.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich es gut gefunden hätte, im Jahr 1997 mit 162 Inch=4,11 Meter Regen hier zu leben.

Jedenfalls machten wir uns auf den Weg, um das Haus von Bella zu suchen. Das war auch relativ leicht zu finden: 775 K-Street.

Schon deutlich schwieriger war es, den reservierten Parkplatz von Dr. Cullen zu finden. Wir fuhren mehrfach am Krankenhaus vorbei, ohne das Namensschild zu sehen. Ich vermute mal, dass wir es deswegen nicht gefunden haben, weil er gerade mit seinem Wagen davor parkte. Welch andere Erklärung soll es sonst dafür geben?

Jetzt geht es weiter im Inland nach Süden in Richtung Küste. Auf halber Strecke biegt nach Osten eine Stichstraße zum Nationalpark, Sektion Hoh Rain Forest, ab. Ca. 17 Meilen gondeln wir entlang des Hoh River, der uns immer wieder mit schönen Anblicken überrascht.

Wir haben schon Panik, dass wir (wie von der größten Pessimistin von allen neben mir befürchtet) mehrere Stunden darauf warten müssen, hineinzukommen und nach einem Parkplatz zu suchen. Aber die Autos werden einfach nur nacheinander abgefertigt und nach ca. 20 Minuten sind wir im Park. Auch einen Parkplatz finden wir mit etwas Geduld und schauen uns um, was sich am besten eignet für diesen Besuch.

Der Name Hoh Rain Forest stammt übrigens nicht vom Weihnachtsmann, der mit seinem Schlitten Hoh, hoh, hoh rufend durchgezogen ist. Er leitet sich vom Hoh River ab, der durch den Regenwald fließt und seinen Ursprung am Mount Olympus hat. Die genaue Herkunft des Wortes „Hoh“ ist umstritten, aber es stammt aus den Sprachen indigener Völker wie den Quileute und Quinault. Mögliche Bedeutungen sind „schnell fließendes Wasser“ (von „Ohalet“ bei den Quileute) oder auch das Wort „Qu“ für „Grenze“ bei den Quinault. Eine andere Theorie besagt, dass sich „Hoh“ auf einen indigenen Stamm bezieht, der „Diejenigen, die am Hoh River leben“ bedeutete.

Es stehen für uns mehrere Wanderungen zur Auswahl: Der Hall of Mosses Trail und der Spruce Bottom Nature Trail. Wir entscheiden uns für ersteren, der uns mit einer Länge von 0,8 Meilen angemessen erscheint.

Der Wald macht seinem Namen wirklich alle Ehre. Man fühlt sich in eine andere Welt versetzt. Überall hängen Flechten von den Bäumen und lassen das Licht wie durch einen grünen Vorhang durch.

Grün golden glitzert dieses Naturschauspiel in der Sonne.

 

Es ist trotz eigentlich angenehmer Temperatur schwül. Der Regen der vergangenen Tage dampft quasi aus der Erde heraus. Aber Spaß haben wir trotzdem, wie man sieht.

Die Flechten auf den Bäumen sind übrigens von der nicht destruktiven Art. Sie greifen den Baum nicht an, sondern leben von Luft, Licht, Wasser und Liebe.

Die Bäume benutzen gerne ihre Vorfahren, um dort selbst zu keimen und zu wachsen. Hier sieht man dies in einem sehr jungen Stadium.

Nach einer kurzen Mittagspause beschließen wir, den zweiten Trail nicht mehr zu laufen. Schließlich haben wir noch mehr als zwei Stunden Fahrt vor uns und wir kommen gleich erst zur Küste.

Auf diese treffen wir am Ruby Beach. Ein herrlich wilder Abschnitt mit einzelnen Felsen, die im Wasser stehen, Wellen brechen sich am Strand.

Der Name soll daher stammen, dass man dort einmal Rubine gefunden hat. Aber selbst wir, die wir sehr erfahren im Finden von Achaten sind, starren erfolglos auf den Boden,

vergessen aber dabei nicht, die Umgebung zu okularinspizieren. Es ist so herrlich entspannend, an der Waterkant entlang zu laufen und dabei nur auf den Boden und die Wellen zu schauen. Ich vermute mal, dass die letzten Rubine hier kurz nach Christoph Columbus gefunden wurden.

Andere Besucher – natürlich Männer – müssen ihren Freunden etwas Besonderes bieten. Genau deshalb gibt es die Darwinsche Auslese und die beginnt meistens mit: Halt mal mein Bier.

Wir sind froh, dass wir über solche Eskapaden erhaben sind und machen uns auf den Weg zurück zum Auto. Der Rest der Fahrt zum Hotel nach Aberdeen verläuft ziemlich ereignislos, wenn man von mehreren Großbaustellen absieht, die für Brückenbauarbeiten nötig wurden.

Aberdeen war in früheren Jahren eines der Zentren der Holzindustrie, ist aber mittlerweile etwas heruntergekommen (zumindest die Straßen, die wir gefahren sind). Aber das Hotel ist schön und wir werden uns die nächsten zwei Nächte hier wohlfühlen.