16.09.2025 – Von Sequim nach Aberdeen

Nun müssen wir das gastliche Ocean Star Inn verlassen. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Es war gemütlich, sauber, klein und das Frühstück war deutlich über dem gepriesenen Standard „continental breakfast“.

Allerdings gestehe ich, dass ich die Eier und Würstchen in der hier dargebotenen Form lieber mal etwas anders gehabt hätte.

Das gibt es vielleicht ja morgen früh in Aberdeen, da sind wir wieder bei Best Western.

Der kürzeste Weg von Sequim nach Aberdeen hätte uns weniger als drei Stunden östlich des Olympic National Parks gekostet. Aber wir wollen ja noch was erleben. Deshalb nehmen wir die westliche Route auf der 101 über Forks. Vampire suchen (und ihnen dann möglichst aus dem Weg gehen).

Wir wählen die einzig mögliche Route über Port Angeles, tanken noch einmal für 4,399 USD/Ga voll und düsen Richtung Westen.

Am Lake Crescent kommen wir an einer heftigen Unfallstelle vorbei. Wir vermuten, dass einer der vielen Log-Trucks seine Ladung verloren und auf ein entgegenkommendes Fahrzeug entladen hat.

Das schadet der Schönheit des Sees – vor allem jetzt bei Morgenlicht – keineswegs und wir machen auf der Picknick Area La Poel eine kurze Pause.

Auch hier merken wir, dass wir uns im pazifischen Nordwesten befinden. Regenwald ist allgegenwärtig. Bäume wachsen riesig in den Himmel.

Und trotzdem sieht unser gewaltiger Truck daneben noch winzig aus. Zum Größenvergleich mal meine Göttergattin auf dem Trittbrett.

Die Natur holt sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit zurück, was ihr gehört.

Der See bietet je nach Standpunkt kristallklares Wasser, bei dem man tief auf den Grund schauen kann.

Die Straße ist uns noch immer wohlbekannt und führt am Rande des Nationalparks vorbei. Wenn das Land nicht dazu gehört, ist es im Privatbesitz und wird für die Forstwirtschaft genutzt. Dies hat mich in meinem ersten Urlaub fast in den Wahnsinn getrieben, war ich es doch gewohnt, dass man in den Wäldern, speziell National Forest, frei und ungehindert zelten konnte. Aber hier gibt es halt keinen National Forest. Und im National Park ist wildes Zelten verboten.

Schließlich erreichen wir das Städchen Forks. Stefanie Meyer hatte im Internet nach einer Stadt mit einem der höchsten Regenaufkommen gesucht und war hier fündig geworden. Vampire scheuen – wie allgemein bekannt ist – das Sonnenlicht und haben sich deshalb hier angesiedelt.

Als wir ankamen, brauchten wir diesbezüglich absolut nichts zu fürchten. Ich schätze, wir haben einen der 5-6 Sonnentage im Jahr erwischt.

Logisch, dass wir die Stätten des Wirkens aufsuchen mussten. Das Chamber of Commerce, welches gleichzeitig auch als Visitor Center dient, liegt direkt neben dem Timber Forks Museum und ist mit allem ausgestattet, was ein Twilight-Fan benötigt.

Vor der Türe stehen die zwei Trucks von Bella Swan (einer aus der Buch- und einer aus der Film-Version, habe ich mir sagen lassen).

Und es gibt auch eine ziemlich hoch gelegte Messlatte. Hier werden die Regenmengen der vergangenen Jahrzehnte angezeigt.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich es gut gefunden hätte, im Jahr 1997 mit 162 Inch=4,11 Meter Regen hier zu leben.

Jedenfalls machten wir uns auf den Weg, um das Haus von Bella zu suchen. Das war auch relativ leicht zu finden: 775 K-Street.

Schon deutlich schwieriger war es, den reservierten Parkplatz von Dr. Cullen zu finden. Wir fuhren mehrfach am Krankenhaus vorbei, ohne das Namensschild zu sehen. Ich vermute mal, dass wir es deswegen nicht gefunden haben, weil er gerade mit seinem Wagen davor parkte. Welch andere Erklärung soll es sonst dafür geben?

Jetzt geht es weiter im Inland nach Süden in Richtung Küste. Auf halber Strecke biegt nach Osten eine Stichstraße zum Nationalpark, Sektion Hoh Rain Forest, ab. Ca. 17 Meilen gondeln wir entlang des Hoh River, der uns immer wieder mit schönen Anblicken überrascht.

Wir haben schon Panik, dass wir (wie von der größten Pessimistin von allen neben mir befürchtet) mehrere Stunden darauf warten müssen, hineinzukommen und nach einem Parkplatz zu suchen. Aber die Autos werden einfach nur nacheinander abgefertigt und nach ca. 20 Minuten sind wir im Park. Auch einen Parkplatz finden wir mit etwas Geduld und schauen uns um, was sich am besten eignet für diesen Besuch.

Der Name Hoh Rain Forest stammt übrigens nicht vom Weihnachtsmann, der mit seinem Schlitten Hoh, hoh, hoh rufend durchgezogen ist. Er leitet sich vom Hoh River ab, der durch den Regenwald fließt und seinen Ursprung am Mount Olympus hat. Die genaue Herkunft des Wortes „Hoh“ ist umstritten, aber es stammt aus den Sprachen indigener Völker wie den Quileute und Quinault. Mögliche Bedeutungen sind „schnell fließendes Wasser“ (von „Ohalet“ bei den Quileute) oder auch das Wort „Qu“ für „Grenze“ bei den Quinault. Eine andere Theorie besagt, dass sich „Hoh“ auf einen indigenen Stamm bezieht, der „Diejenigen, die am Hoh River leben“ bedeutete.

Es stehen für uns mehrere Wanderungen zur Auswahl: Der Hall of Mosses Trail und der Spruce Bottom Nature Trail. Wir entscheiden uns für ersteren, der uns mit einer Länge von 0,8 Meilen angemessen erscheint.

Der Wald macht seinem Namen wirklich alle Ehre. Man fühlt sich in eine andere Welt versetzt. Überall hängen Flechten von den Bäumen und lassen das Licht wie durch einen grünen Vorhang durch.

Grün golden glitzert dieses Naturschauspiel in der Sonne.

 

Es ist trotz eigentlich angenehmer Temperatur schwül. Der Regen der vergangenen Tage dampft quasi aus der Erde heraus. Aber Spaß haben wir trotzdem, wie man sieht.

Die Flechten auf den Bäumen sind übrigens von der nicht destruktiven Art. Sie greifen den Baum nicht an, sondern leben von Luft, Licht, Wasser und Liebe.

Die Bäume benutzen gerne ihre Vorfahren, um dort selbst zu keimen und zu wachsen. Hier sieht man dies in einem sehr jungen Stadium.

Nach einer kurzen Mittagspause beschließen wir, den zweiten Trail nicht mehr zu laufen. Schließlich haben wir noch mehr als zwei Stunden Fahrt vor uns und wir kommen gleich erst zur Küste.

Auf diese treffen wir am Ruby Beach. Ein herrlich wilder Abschnitt mit einzelnen Felsen, die im Wasser stehen, Wellen brechen sich am Strand.

Der Name soll daher stammen, dass man dort einmal Rubine gefunden hat. Aber selbst wir, die wir sehr erfahren im Finden von Achaten sind, starren erfolglos auf den Boden,

vergessen aber dabei nicht, die Umgebung zu okularinspizieren. Es ist so herrlich entspannend, an der Waterkant entlang zu laufen und dabei nur auf den Boden und die Wellen zu schauen. Ich vermute mal, dass die letzten Rubine hier kurz nach Christoph Columbus gefunden wurden.

Andere Besucher – natürlich Männer – müssen ihren Freunden etwas Besonderes bieten. Genau deshalb gibt es die Darwinsche Auslese und die beginnt meistens mit: Halt mal mein Bier.

Wir sind froh, dass wir über solche Eskapaden erhaben sind und machen uns auf den Weg zurück zum Auto. Der Rest der Fahrt zum Hotel nach Aberdeen verläuft ziemlich ereignislos, wenn man von mehreren Großbaustellen absieht, die für Brückenbauarbeiten nötig wurden.

Aberdeen war in früheren Jahren eines der Zentren der Holzindustrie, ist aber mittlerweile etwas heruntergekommen (zumindest die Straßen, die wir gefahren sind). Aber das Hotel ist schön und wir werden uns die nächsten zwei Nächte hier wohlfühlen.

14.09.2025 – Olympic National Park

Endlich haben wir mal das Wetter, für das der Staat Washington so bekannt ist. Endlich kann ich das Rostschutzmittel, welches ich vorsorglich neben dem Sonnenschutz eingepackt hatte, herauskramen. Endlich verstehen wir, warum dieser Staat den Nicknamen „The Evergreen State“ hat.

Auf gut deutsch: Es regnet in Strömen. Zeit, sich auf die Erholung zu konzentrieren.

Das Frühstück hier im Ocean Star Inn (einmalig in diesem Urlaub kein Best Western Hotel) ist erstaunlich gut, wurde doch „nur“ continental breakfast beworben. Man merkt die Nähe zum Großmarkt Costco. Auf vielen Behältnissen prankt das Kirkland-Logo, der Hausmarke der Metro der USA. Am schönsten ist allerdings, dass sie auch unser geliebtes Cranberry Walnut Brot anbieten. Da schlagen wir doch gerne zu.

Nach der ersten Malzeit des Tages legen wir uns noch ein wenig aufs Ohr, denn die Wetter-App verheißt ein Nachlassen der undichten Wolken.

Als es schließlich nur noch graut und im fernen Westen die ersten blauen Flecken am Himmel auftauchen, gibt es bei uns kein Halten und wir machen uns zügig auf die Straße. Schnell nochmal bei Costco vollgetankt und ein paar andere Sachen mitgebracht und dann – während der Fahrt – überlegen wir, was wir heute am besten machen können. Da stehen zum einen die drei Wasserfälle: Sol Duc, Marymere und Madison im Angebot. Die Hurricane Ridge könnte auch interessant sein. Und auch die Neah Bay ganz im Westen der Halbinsel.

Doch erstmal ein paar Fakten zum Olympic National Park. Er ist quasi eine „Mini-Welt“ für sich, denn er vereint drei komplett unterschiedliche Landschaftstypen:

  • Schroffe Pazifikküste mit wilden Stränden und Treibholz, das aussieht wie von Riesenhand hingeworfen.
  • Gemäßigte Regenwälder wie der berühmte Hoh Rain Forest, einer der größten seiner Art in den USA.
  • Alpine Hochgebirge mit Gletschern, schroffen Gipfeln (z. B. Mount Olympus, 2.428 m) und sauberen Bergseen.

Der Park ist fast so groß wie das Saarland – aber mit viel mehr Bären und viel weniger Autobahnen.

Ganz in der Nähe, in der Kleinstadt Forks, spielt die Twilight-Saga. Deshalb pilgern immer noch Fans in den Park und hoffen, glitzernde Vampire im Regenwald zu sehen. Stattdessen treffen sie meistens auf… nasse Hirsche.

So, wie gerade im Augenblick der Himmel aufreißt, erscheint uns die Hurricane Ridge im Olympic National Park am geeignetsten. Wir biegen also von Port Angeles ab nach Norden, um über eine 17 Meilen lange, gut befahrbare Straße auf die Höhe zu kommen. Der Weg führt durch mehr oder weniger dichten Wald, von der Schönheit der Berge ist wegen der Wolken so gut wie nichts zu sehen.

Dann endlich reißt die Wolkendecke auf und die Sonne scheint durch.

Kurze Zeit später stehen wir auf dem Parkplatz (welcher trotz Sonntag nicht einmal halb gefüllt ist) und packen uns wetterfest ein. Ausnahmsweise bei mir eine lange Hose und eine von meinen neuen Jacken.

Wir machen uns auf den Weg zu einer kurzen Wanderung, denn die Wolken lassen nur erahnen, welche Schönheit sich hinter ihnen verbirgt.

Noch einmal kurz die Fliesenabteilung aufsuchen und es geht wieder nach unten. Denn wir haben ja noch reichlich Ziele auf der Tagesordnung.

Auf der Straße hat sich stellenweise so dichter Nebel gebildet, dass man nicht die Hand vor Augen sieht. Hatte ich auch nicht, sie waren am unteren Teil des Lenkrades. Logisch, dass es nicht allzuschnell den Berg runter geht. Auf dem Foto war die Sicht schon wieder richtig gut.

Dann biegen wir nach Westen auf den 101 ab, um zu den Sol Duc Wasserfällen zu fahren.

Sol Duc“ ist ein Name, der aus der Sprache der Quileute (einem indigenen Volk der Olympic-Halbinsel) stammt.

Ursprünglich hieß es dort “Soleduck” (ältere Schreibweise) und bedeutet ungefähr „glänzendes Wasser“ oder „funken-sprühendes Wasser“ – eine Anspielung auf die heißen Quellen und den Sol Duc River, der durch den Park rauscht.

Auch hier müssen wir 14 Meilen in die Berge hinauf fahren. Am Parkplatz angekommen, sind es jetzt noch 0.8 Meilen zu laufen. Das schaffen wir (so gerade eben noch).

Es geht durch dichten Regenwald und uns kommen viele Wanderer:innen entgegen.

Dann hören wir es rauschen und stehen auf einer Brücke vor dem Wasserfall. Mein Stativ für eine Langzeitbelichtung habe ich nicht mitgenommen, warum auch. Schließlich bekomme ich mit aufgelegter Kamera 1/6 Sekunde auch ohne hin.

Und wie man sieht, klappt das ganz gut.

Auf dem Rückweg kommt ab und zu die Sonne raus und wirft ihre Stahlen durch die mit Flechten bewachsenen Bäume.

Nachdem wir zum Parkplatz zurückgekehrt sind, verleiben wir uns noch den bei Costco erstandenen Salat ein und machen uns auf den Rückweg.

Links am Wegesrand machen wir einen kleinen Stop. Dort hatten wir auf dem Hinweg die Salmon Cascade Falls rechts liegen gelassen. Das können wir noch nachholen, dazu reicht die Zeit.

Aber da ich zu faul bin, die Strecke zurückzulaufen, hole ich einfach die dicke Berta raus und gönne dem Fall eine Aufnahme. Sogar einen Lachs glaube ich springen zu sehen.

Schließlich sind wir zurück auf der Straße. Der Lake Crescent wird schön ins Sonnenlicht getaucht, das hätte man heute morgen doch auch schon haben können?

Aber mit dem Wettergott ist ja nicht verhandelbar.

Dass der Park nicht so überlaufen ist wie z.B. der Grand Canyon oder der Arches NP, sieht man daran, dass z.B. Rehe ganz ungeniert sowohl auf nahen Wiesen, bei Häusern und sogar in Vorgärten weiden.

Und sie lassen sich auch nicht durch Stalker wie mich stören.

Wir lassen den Park hinter uns und auch die Sonne, die tiefstehend in den Rückspiegel hineinleuchtet.

Eine kleine Runde drehen wir noch durch Sequim, um einen Sonnenuntergang á la Arizona mitzubekommen.

Endlich zuhause. Das Internet zickt mächtig rum und ich hoffe, diesen Bericht überhaupt hochgeladen zu bekommen.