01.10.2025 – Seattle

Der letzte ganze Tag unserer Reise ist angebrochen. Laut Wetterbericht ist viel Regen dabei. Eigentlich eine gute Gelegenheit, sich in Museen zu verkriechen und die gesamte Historie der Stadt aufzuarbeiten.

Aber da wir dem Wetterbericht prinzipiell misstrauen, beschließen wir, uns ein wenig Stadt anzutun und fahren nach Downtown Seattle. Ein Spaziergang über den Pike Place Market wird uns bestimmt kulinarisch und olfaktometrisch weiterbringen. Würde es, wenn wir den Gang antreten könnten. Vor dem Spazieren liegt das Ankommen und davor das Parken des Autos. Und in diesem speziellen Fall erweist sich die Größe, genau genommen die Höhe unseres Pickups, als entscheidendes Hindernis. Es gibt viele Parkgaragen, alle mit Preisen von 5-10 USD für zwei Stunden und teurer, aber bei allen steht als Einfahrthöhe: 6 Fuß, 8 Inches. ICH weiß nicht genau, wie hoch unsere Dicker ist und ich möchte auch nicht den Angaben von Google trauen, das sich in ungefähren Werten von 1,90 m bis 2,05 m, je nach Ausführung, auslässt. Mehrere andere Freiluftparkplätze sind so eng, dass ich rückwärts wieder ausparke, so wie sich Igel paaren: Ganz vorsichtig.

Also fahren wir die Straßen entlang, um an einem der „Groschengräber“ (so hießen die Parkuhren früher) einen Platz zu ergattern. Mit Park-Apps funktioniert das hierzulande ähnlich wie in Deutschland, aber wir fanden eine Säule, wo wir direkt mit der Kreditkarte zwei Stunden buchen konnten. Ecke Battery und Western.

Jetzt sind dem Sprung ins Vergnügen fast keine Grenzen mehr gesetzt. Wir stürzen uns, wie viele andere Touristen, ins Getümmel.

Vorbei an Fischständen, wo die Meterware durch die Luft geworfen wird: „Ich habe den Fisch selbst gefangen“. Vorbei an Gewürzständen, Blumenständen und allem anderen, was man genau genommen nicht oder nur selten benötigt.

Auf der Rückseite kann man das Gebäude verlassen und steht mit Blick auf den Puget Sound in einer friedlichen und ruhigen Atmosphäre.

Die Menschenmassen sind größtenteils im Market geblieben und wir verziehen uns auf einen vorgelagerten Kai mit bequemen Bänken, um den Ausblick und die relative Stille zu genießen.

Dann sind unsere zwei Stunden Parkzeit bald um und wir machen uns auf den Rückweg. Am Pier 66 gibt es ein Observation Deck und von hier aus hat man meiner Ansicht nach einen der besten Blicke auf die Skyline von Seattle. Oder liegt es nur daran, dass die Sonne rausgekommen ist?

Da wir schon an der Küste sind, können wir den von Karin erwünschten Discovery Park mit Leuchtturm besuchen.

Auf dem Weg dahin legen wir im Magnolia Park im Magnolia Drive eine kurze Mittagspause ein.

Leider ist im Discovery Park alles geschlossen und eine halbe Stunde Fußmarsch kommt zur Zeit nicht in Frage.

Nebenan ist eine Schleusenanlage bei Maps eingezeichnet, fahren wir dort hin.

Es handelt sich um die Ballard (Hiram M Chittenden) Locks, eine Anlage, die die Salmon Bay und den Lake Union vom Puget Sound trennt. Ca. 2 Meter Höhenunterschied haben die beiden Seiten, als wir ankommen.

Zuerst sehen wir allerdings diese hübsche Eisenbahnbrücke (ein Zug kommt gerade rübergerollt, als wir parken).

Diese Konstruktion war uns schon einmal aufgefallen, in Aberdeen. Der auf der rechte Seite hängende Klotz ist vermutlich das Gegengewicht zu dem Teil der Brücke, der hochgehoben wird? Die Brücke sieht nicht so aus, als wäre dort viel los, aber wir werden eines besseren belehrt.

Als wir zu den Locks kommen, fahren gerade diverse Schiffe in die Schleusenanlage ein. Wo in Deutschland kilometerweit alles abesperrt wäre, genügt hier ein hüfthohes Gitter und der Hinweis, man möge bitte eine Schwimmeste tragen.

Wir spazieren ohne rüber und sehen im Wasser einen Harbour Seal, einen Seehund, auch ohne Schwimmweste.

Er und diverse Seelöwen tummeln sich im Wasser und warten auf die Lachse, die auf ihrem Weg zu den Laichgründen die Fischtreppen raufmüssen.

In der Schleuse warten mittlerweile ein riesiger Schlepper, ein Ausflugsboot und ein Segelboot.

DasWasser ist schnell abgelassen und als sich die Tore öffnen, darf der kleine Segler als erstes losfahren. Als die Alaska Titan schließlich zum offenen Meer fährt, ist die Eisenbahnbrücke wirklich hochgefahren, oh Wunder.

Eine wirklich kurzweilige, interessante und vor allen Dingen unerwartete Unterbrechung unseres Tagesausfluges.

Unser nächstes Ziel ist die Space Needle, das Wahrzeichen von Seattle. Auch hier versuchen wir, einen Parkplatz außerhalb der teuren Optionen zu finden, 20 USD werden schnell aufgerufen. Und parken Ecke 5th und Mercer, diesmal mit einer App.

Zu Fuß sind es nur ein paar Minuten zurück und unser Schrittzähler freut sich.

Dann stehen wir endlich vor dem Luftspieß. Ist schon faszinierend, was die Ingenieure dort zusammengebaut haben.

Wir überlegen kurz, ob wir mit dem Aufzug nach oben fahren und uns Seattle aus der Höhe anschauen. Aber 44 USD/Person (Rentnertarif) sind uns doch zuviel.

Und so begnügen wir uns damit, das in meinen Augen fotografisch viel interessantere Museum of Pop Culture von außen zu begutachten.

Es wurde entworfen vom kanadisch-amerikanischen Stararchitekten Frank Gehry, der bekannt ist für fließende, futuristische Formen. Unter anderem die Gehry Häuser am Düsseldorfer Medienhafen stammen von ihm.

Gehry ließ sich inspirieren, indem er E-Gitarren zerlegte und die Teile als Ausgangspunkte für die Gebäudestruktur nutzte. DIe Fassade besteht aus über 21.000 Aluminium- und Edelstahlplatten, in verschiedensten Farben und Formen – keine ist exakt gleich.

Die schillernde Außenhaut verändert ihre Wirkung je nach Sonnenstand, Wetter und Blickwinkel – mal wirkt sie flüssig wie Metall, mal wie zerknitterte Folie. Aufgrund der komplexen, unregelmäßigen Formen wurde der Bau stark von Computer Aided Design (CAD) unterstützt – damals noch eine ungewöhnlich fortschrittliche Anwendung.

Manche Einheimische vergleichen das Gebäude scherzhaft mit einem gigantischen, von Godzilla zertretenen Gitarrenberg.

Andere nennen es „The Blob“ oder „Chewed Gum“ oder „Das gekaute Kaugummi“: weil es aussieht, als hätte jemand einen Haufen Kaugummi an die Space Needle gespuckt.

Neben der Needle und dem MoPOP liegen noch die Chehuli Gardens, ein Park mit Glas-Blumen in XXXXL. Auch hier darf man einen zweistelligen Betrag hinlegen, um dort durchzuspazieren. Hatten wir in ähnlicher (und kleinerer Form) schon in der Gruga in Essen.

Auf dem Rückweg ein weiteres Kunstobjekt, die Grass Blades von John Fleming. Hier handelt es sich um 110 „Halme“, jeder 12-16 Meter hoch. Sie dienen als optische Abgrenzung zum dahinter liegenden Parkplatz.

Und damit endet unser Sightseeing in dieser schönen Stadt. Jetzt kommt der unangenehme Teil: Wir müssen „kurz“ beim Walmart und bei Costco vorbei.

Auf der Fahrt – und zum Glück erst jetzt, fängt es so an zu regnen, wie es für den größten Teil des Tages vorhergesagt war. Logischerweise unter Zuhilfenahme der in dieser Stadt üblichen Staus.

Das gibt uns die Möglichkeit, den Mt Rainier, der von Wolken verdeckt und mit einer frischen Scheehaube bedeckt ist, vor uns abzulichten.

Aber irgendwann sind wir auch da durch, haben den Wagen leergeräumt und versuchen, heute die Koffer weitgehend zu packen. Morgen geht es dann zur Abgabe des Autos und zum Rückflug. Hoffentlich. Denn der staatliche Lockdown verspricht, uns mit Unerwartetem zu überraschen.

08.02.2015 – Schlaflos in Seattle

Wie nicht anders zu erwarten war, endete die Nacht vor der gewohnten Zeit. Wir hatten zwar Melatonin-Tabletten eingeworfen, aber die zögerten das unvermeidliche nur (oder immerhin?) bis 5 Uhr hinaus. Gut, dass das Hotel Frühstück zu dieser Zeit schon anbot. Und wir waren sehr angenehm überrascht. Neben den üblichen Verdächtigen gab es Rührei und Würstchen, Joghurt, Obst, Cereals, Toast und und und. Man könnte schon fast sagen, dass es sich an den Standard europäischer Best-Western Hotels annäherte. Super. Gut gefrühstückt, das Tageslicht ließ sich auch blicken, beschlossen wir dann, uns nach Downtown Seattle (ca. 12 Meilen) zu begeben.

OR50018.jpgIch hatte diese Stadt zum letzten Mal 1987 gesehen und in anderen früheren Urlauben hatte ich mit einem Wohnmobil keine Lust gehabt, mich durch die Straßen zu quetschen. Es sieht auch stellenweise so aus, als wäre es des San Francisco des Nordens.

OR50030.jpgIn der Nähe des Pike Place Markets fanden wir sogar einen kostenlosen Parkplatz und schlenderten durch die Markthallen, die sich so langsam mit Leben zu füllen begannen.

OR50038.jpgDie Nähe zum Meer merkt man der Stadt deutlich an.

OR50039.jpg OR50040.jpgAber selbst die Fische grinsen einen freundlich an.

OR50042.jpgÜbrigens ein Feature, was wir öfters erfahren haben. Wir wurden mehrfach freundlich angesprochen, ein Penner? wies uns darauf hin, dass unser Parkplatz sonntags generell frei sei. Eine nette Stadt.

Nächstes Ziel war die Space-Needle, eines der Wahrzeichen von Seattle.

OR50083.jpgIn unmittelbarer Nähe liegt dann auch das Experience Music Project, ein Museum für populäre Musik. Ich muss allerdings gestehen, dass mich diverse Formen dieses futuristischen Gebäudes eher an Star Wars erinnerten…

OR50061.jpg OR50064.jpgAber auch Traditionen werden gepflegt (nicht nur hier, Totempfähle sieht man häufiger).

OR50060.jpgZwischendurch mal ein Selfie

OR50070.jpgund noch ein paar von diesem Gebäude und Umgebung.OR50071.jpg OR50068.jpg OR50072.jpg OR50073.jpgFür heute genug von Seattle (benannt übrigens nach einem Häuptling der Duwamish und Suquamish), wir müssen ja noch nach Lincoln City und das sind noch ein paar Meilen. Und auf dem Weg liegen noch diverse Zwischenziele. Da sei zum einen die Outlet-Mall von Centralia zu nennen, die den Shop VF (Vanity Fair) beherbergt. Der ist für mich deshalb so bedeutsam, weil ich dort ohne längeres Suchen meine Bestände an Kleidung auffrischen kann. Und VF gibt es leider nicht in jeder Outlet-Mall.

Bei Famous Footwear waren für die Göttergattin noch ein paar neue Turnschuhe von Asics fällig und in einem Western-Store fiel mir noch ein Hut in die Hände (wird demnächst vorgestellt).

Damit auch der Magen was zu tun bekommt, kehrten wir noch kurz bei Burger King ein, verdrückten ein wenig Fast Food und setzten uns weiter auf den I5 Richtung Süden.

Ca. 20 Meilen südlich von Centralie geht nach Osten die Straße 504 zum Mount St. Helens ab. Der Vulkan war 1980 ausgebrochen und hatte große Landstriche Washingtons verwüstet. Eigentlich (wenn ich der Schilderung meiner besten Reiseführerin von allen trauen durfte) konnten wir bis maximal zu der Stelle fahren, wo wegen Schnees die Straße gesperrt ist. Aber die Straße hatte von DIESEN Wetternachrichten noch nichts mitbekommen. Jedenfalls hatten wir von einem der Aussichtspunkte einen guten Ausblick auf den schneebedeckten Vulkan.

OR50091.jpgOR50108.jpgOR50109.jpgWeiter auf die Piste zur Grenze von Washington/Oregon. Einkaufen ohne Mehrwertsteuer. Gut, davon sahen wir nicht allzuviel, als wir auf dem I5 durch Portland fuhren. Aber dafür eine Vielzahl von schönen Brücken über den Columbia River. Die sollten wir uns noch irgendwann mal genauer anschauen…

In Tigard biegt die 99w ab nach Lincoln City. Da unser Tank mittlerweile zu 3/4 leer war, beschlossen wir, das Unvermeidliche nicht länger herauszuzögern und zu tanken. In unserer Erinnerung waren die Spritpreise in LC immer recht hoch. Wir entschlossen uns zu einer freien Tankstelle mit 2,099 USD/Gallone. Welch eine angenehme Überraschung, als nach 10 Gallonen der Tank voll war und wir nur etwas über 20 USD hinblättern durften.

Das schöne Wetter vom Vormittag hatte sich mittlerweile verabschiedet und so kämpften wir uns durch strömenden Regen bis nach LC. Am Nordende dieser langgestreckten Ansammlung von früher fünf Siedlungen gibt es einen Grocery Outlet. Ein Laden, der sich durch Superpreise von Standard-Lebensmitteln auszeichnet. Und zum Schluß bekommt man von der Kassiererin immer freudestrahlend mitgeteilt, wieviel man gegenüber einem herkömmlichen Einkauf gespart hat. In unserem Fall betrug die Rechnung 64 USD, und gespart hatten wir knapp 43 USD. Angenehm.

Auf zu unserer Behausung. Diesmal kein einzeln stehendes Ferienhaus, sondern ein Appartment mit dem Namen Whispering Waves in der Anlage Pacific Winds. Das Appartment selbst ist sehr schön, wie man an den Fotos sehen kann. Nur wurde das initiale Vergnügen dadurch getrübt, dass das Internet nicht funktionierte, das Schloss zum Whirlpool nur mit Gewalt aufzubrechen war und der Fernseher ständig einen Code verlangt. Aber ein Anruf beim Verwalter konnte einen Großteil der Probleme klären.

Ab ins Bett, Licht aus und aus dem Fenster den weißen Brandungsstreifen des Meeres sehen. Oder vor dem Kamin sitzen und die behagliche Wärme spüren. Morgen probieren wir auch den Whirlpool aus. Gute Nacht.