Schlaflos in Seattle. Das hat seine Vorteile: Man ist früh auf den Beinen, kann früh frühstücken und steht früh im Stau. Warum? Wir wollten unbedingt in den Nordteil des Mount Rainier Nationalpark, zur Sunrise Area.
Unser Hotel liegt in Everett, also nördlich von Seattle. Und das heißt, dass wir auf jeden Fall durch Seattle durch müssen, auf dem I405 wie hunderte andere Washingtoner. Um 6 Uhr wurde uns noch eine Fahrzeit von 2h 15min anvisiert, als wir dann endlich auf der Straße waren, hatte sich das schon auf knapp 3 Stunden verlängert. Aber wir haben es nicht eilig und zur Zeit liegt auch dicker Nebel über der Küste und den Städten. Der Wetterbericht hat Besserung in Aussicht gestellt.
Also stellten wir uns in den schönen langen Stau und beobachteten die vielen schönen amerikanischen Autos, die vor und neben uns dem gleichen Hobby frönten. In Renton verließen wir die Autobahn und fuhren über Maple Valley und Enumclaw über Landstraßen bis zum Mt. Rainier Nationalpark.
Schon auf dem Weg nach oben zeigte uns die Bergkulisse, was uns an Schönheit erwartete.

Dann endlich kam der höchste Berg Washingtons in Sicht.

Majestätisch überragt er mit seiner weißen Kappe und den Gletschern das in umgebende Umland.
Auf dem Parkplatz von Sunrise studierten wir die Karte, die wir am Parkeingang erhalten hatten. Von der Länge und der Steigung erschien uns eine Wanderung zum Frozen Lake am vielversprechendsten und wir machten uns auf die Schuhe.

Leicht ansteigend ging der Weg vorbei an vielen bunten Beeren, die wir allerdings nicht kosteten.
Dann kamen uns Leute entgegen, ziemlich aufgeregt: A bear, a bear. Gut, dass muss uns unbedingt auch aufregen. Jetzt sind wir schon mehr als 35 Jahre im Westen der USA unterwegs und haben in den Nationalparks noch nie so richtig das Vergnügen einer Bärensichtung genießen können. Ein paar Meter weiter stand eine Gruppe von Wanderern, die angestrengt bergab ins Tal schauten.
Natürlich musste die Traube von Bärenkennern ihr Wissen weitergeben und sie führten unsere Blicke tief nach unten, wo sich ein hellbrauner winziger Fleck von Zeit zu Zeit bewegte. Ein Fall für alle Handykameras. Oder doch nicht? Zum Glück hatte ich die Dicke Berta in Karins Rucksack gepackt (ja, sie wusste davon) und so konnte ich mir den pelzigen Säuger mit einer Brennweite von 750mm etwas näher heranholen. In der anschließenden Nachbearbeitung in Lightroom konnte ich noch etwas mehr optimieren, so dass das Endergebnis schließlich so aussieht.

Gut, man kann nicht jedes einzelne Haar unterscheiden, aber es ist besser als nichts.
Als wir uns satt gesehen hatten bzw. der Teddy klarmachte, dass er nicht weiter gestalkt werden wollte, trabten wir langsam weiter bergauf. Immer wieder gaben die Bäume den Blick auf den Mt. Rainier frei.

In der entgegengesetzten Richtung war die Sicht deutlich schlechter, was am Wildcat Fire lag, einem Waldbrand in der Größe von fast 8000 Acres. Ab und zu kam auch der Geruch von verbranntem Holz durch.

Endlich kam der Frozen Lake in Sicht. Ich gestehe, ich war etwas enttäuscht, ein Reservoir für die Versorgung der Sunrise Area.

Ein bisschen wurde ich entschädigt durch die Skipmunks, die in der Hoffnung auf etwas Essbares um die Wanderer herumscharwenzelten.

Aber: Don’t feed the animals.
Dann ging es auf den Rückweg. Kleine Pause und meine Göttergattin verschönert die Landschaft.

Am Auto hatten wir dann ca. 5,5 Kilometer zurückgelegt, in der Höhe von über 2000 Metern für den dritten Reisetag eine gute Leistung.
Bevor es wieder zum Hotel ging, wollten wir uns noch zwei Sachen anschauen (ohne groß zu wandern).
Das erste Ziel war die Straße zum White River Campground. Als Abfluss eines der Gletscher des Mt. Rainier haben wir hier einen wilden und schönen Fluss vor uns.

Ich könnte mir schon vorstellen, auf dem Campground mal ein wenig Zeit zu verbringen. Beim Rauschen des Wassers schläft man bestimmt gut ein.
Als letztes Ziel stand der Tipsoo Lake auf dem Plan. Ich hatte Fotos gesehen, wo sich der Mt. Rainier wunderbar auf der Wasseroberfläche spiegelt. Vielleicht klappt es ja bei mir auch? Tat es nicht. Der Berg war mittlerweile sehr von Dunst umhangen und die Wasseroberfläche durch den Wind gekräuselt.

Aber zumindest einen Schmetterling konnte ich noch mit der Kamera einfangen.

Dann geht es auf den Rückweg. Das Navi stimmt uns mit 2h 15min optimistisch. Allerdings gibt es hier kein Handy-Netz, Verkehr wird nicht berücksichtigt. Als dann die ersten Verkehrsdaten reinkamen, war dieser wie auf dem Hinweg mit sehr vielen Autos gesegnet, die alle in die gleiche Richtung wollten.
Aber wir konnten was dazu lernen: Nämlich, dass Zeit Geld ist. Wenn man sich auf eine der Express-Spuren begibt, wird man abfotografiert und darf für den einmaligen Transit bis zu 13,50 USD berappen.

Da lassen wir uns lieber etwas Zeit.
Das Hotel erreichten wir trotzdem noch bei Tageslicht und ich konnte das besondere Feature dieses Gebäudes ablichten: Der Eingang wird von einem riesigen alten Flugzeugflügel überdacht, eine interessante Idee.

Zum Abendessen gab es dann Chicken Tikka Masala mit Nudeln, ein Genuss.







































Nochmal ein paar Meilen weiter auf der Straße, der Zustand verschlechterte sich deutlich, landeten wir dann auf dem gut besuchten Parkplatz.
Der Weg war zu Anfang auf jeden Fall angenehm zu laufen und auch der Blick zurück war vielversprechend.
Als ersten See nach etwas über einem Kilometer wurde uns der Mack Lake präsentiert.
Einfach schön, die grauen Felsen, die grünen Bäume, das blaue Wasser. Meine Göttergattin musste immer wieder folgenden Spruch loslassen: SO habe ich mir eine Wanderung vorgestellt. Irgendwann erinnerte ich sie daran, dass ich es jetzt wüsste, und dann erinnerte sie sich auch daran.
Wieder ein kleines Stück weiter liegt dann der Marsh Lake.
und fanden uns am Fuße eines kleinen Wasserfalls wieder. Hätte ich doch bloß mein Stativ mitgenommen. Dann hätte ich nur noch einen Sherpa gebraucht, der meine Ausrüstung und mich zurückträgt. So versuchte ich eine Langzeitbelichtung mit Bordmitteln, also Rucksack und ruhiger Hand.
Für die nächste Aufnahme brauchte ich zwar auch eine ruhige Hand, aber das Motiv bewegte sich sowieso nicht: Ruhepause.
Der Blick zurück war auch nicht ohne,
Und wieder mussten wir einen der reißenden Wildbäche überqueren. Todesmutig setzte die beste Wanderin von allen über die Steine, um trockenen Fußes weitergehen zu können.
Der nächste See, der uns im Weg lag, war der Long Lake. Hier erklärt sich der Name quasi von selbst.
Auf eine Schneeballschlacht haben wir verzichtet. Ich befand mich in einer sehr ungünstigen Position ohne Schnee.


Also kurzer Stop (die Straße war so gut wie unbefahren) und auch die Sierra-Berge abgelichtet.
An der Kreuzung nach „oben“ standen 4 Gestalten, heftig mit Rucksäcken bewaffnet und streckten den Daumen raus. Es sah so aus, als wäre die Wanderlust doch nicht sooo groß, dass man die 20 Meilen rauflaufen wollte.
Los ging es. Wir starteten in einer Höhe von ca. 3000 Metern und der Weg ging eigentlich ziemlich langweilig durch den Wald, hätten die Ranger nicht dort zu einer Kunstausstellung eingeladen (so kam es mir jedenfalls vor). Vom Blitz abgefackelte Bäume strahlten so im Sonnenlicht, dass ich sie einfach ablichten musste. Einfach auf das Bild klicken zum Vergrößern.
Selbst ich war in der Lage, im folgenden Bild ein Gesicht zu erkennen.
Aber auch andere Begebenheiten würzten den Weg:
Cowboys (die ich schon beneidete, hinterher umso mehr) kamen uns entgegen.
Reißende Ströme mussten unter Lebensgefahr überquert werden.
Höhere Berge kamen in Sicht und wir bekamen schon Panik, dass wir da rauf müssten. Mussten wir aber nicht.
Das konnte ich zum Glück mit dem Tele erledigen. Denn mittlerweile – wir bewegten uns schon geraume Zeit auf über 3000 m Höhe, trat bei Karin die Höhenkrankheit ein. Das Ganze wurde so schlimm, dass sie bei 3300 m einfach nicht mehr weiterkonnte. Immer wieder Luftnot, Erschöpfung Übelkeit. Wir beschlossen, dass ich die letzten paar Meter alleine hochklettere und zumindest ein Foto vom See abliefere:
Der Rückweg wurde wegen der Höhe nicht leichter und wir schleppten uns schließlich mit letzten Kräften Kilometer für Kilometer zurück bis zum Auto. Am Ende standen 15,8 km auf meiner App. Das reicht mir. Meinem Rücken auch. Ca. 14-15 kg ist was für jüngere Leute, die Backpacking machen wollen. Zum Schluss kam mir noch ein Spruch in Erinnerung, der glaube ich dem polnischen Sprachschatz zu Teilen zuzusprechen ist: Pirunje, mir brrrricht der Kreuz.
Und ein Stück weiter hatten wir einen klasse Blick auf Lone Pine und die Alabama Hills.
Eigentlich hatte ich noch vorgehabt, zur Moebius Arch zu laufen. Aber meine unteren Extremitäten meldeten mir, dass es besser wäre, den Abend gaaanz ruhig im Hotel zu verbringen.
So schoss ich quasi im Vorbeifahren noch ein Foto der Hills im Abendlicht und wir kehrten total k.o., aber glücklich, dass wir es geschafft hatten, ins Hotel zurück.